Authentisch vortragen und sichtbar werden in der Wissenschaft – das ist für viele Forschende nicht selbstverständlich. Wissenschaftliche Konventionen, persönliche Unsicherheiten oder die Sorge um die eigene Glaubwürdigkeit machen es schwer, sich vor einem Publikum authentisch zu zeigen. Die Wissenschaft verlangt Objektivität und Präzision – kein Wunder, dass viele Forschende sich scheuen, ihre Persönlichkeit in Vorträgen sichtbar zu machen. Warum das so ist und welche Denkmuster eine Rolle spielen, werde ich in einem separaten Artikel vertiefen.
Authentisch vortragen und dennoch wissenschaftlich bleiben – das schließt sich nicht aus. Im Gegenteil: Wer fachliche Exzellenz mit Authentizität verbindet, kann nicht nur überzeugen, sondern auch inspirieren. Ein Vortrag überzeugt, wenn er begeistert. Wenn eine klare Haltung erkennbar ist.
Authentische Vorträge sind der Schlüssel zu Erfolg und Sichtbarkeit in der Wissenschaft. In diesem Artikel zeige ich, welche Merkmale authentische Vorträge ausmachen und wie Forschende ihren ganz persönlichen Präsentationsstil finden.
Kennzeichen authentischer Vorträge
Präsenz
Was sehen wir als Erstes zu Beginn einer Präsentation? Die Folien? Nicht wirklich. Wir sehen, wie die Vortragenden auf die Bühne kommen, sich hinstellen und darauf warten, vorgestellt zu werden. In dieser Zeit mustern wir ihre Kleidung, nehmen ihre Bewegungen wahr. Sind sie langsam oder gar hektisch? Wir hören den Klang ihrer Stimme, die Sprache, die Intonation. All dies formt in unserem Kopf ein erstes Bild, schürt unsere Erwartungen. Egal ob die Person vorne auf dem Podium das will oder nicht.
Wir sehen als Allererstes den Menschen und verknüpfen nachfolgend mit jedem Wort und mit jeder Folie alle Eindrücke und Informationen miteinander. Sobald diese nicht zusammenpassen, nicht stimmig sind, irritiert uns das als Zuhörer/innen. Erfahrene Vortragende sind sich dessen bewusst und nutzen diesen Umstand zu ihrem Vorteil. Sie zeigen sich ehrlich und greifbar – sie zeigen einfach sich selbst. Sie verstellen sich nicht, setzen keine Maske auf. Diese Aufrichtigkeit schafft eine unglaubliche Präsenz, erhöht die Glaubwürdigkeit der präsentierten Inhalte und sorgt für eines – Sichtbarkeit!
Publikumsbezug
Nicht jede/r Vortragende hat ein mitreißendes Charisma oder ist so extrovertiert oder selbstsicher, um das Publikum allein durch das Auftreten und die Körpersprache zu fesseln. Das ist auch gar nicht nötig. Denn was im weiteren Verlauf auf der Bühne passiert, spielt eine noch viel größere Rolle. Die ersten gesprochenen Sätze sind entscheidend. Sie machen schnell klar, ob die Präsentation eine „One-Man“ oder „One-Woman“ Show wird – oder eben nicht. Ob die Vortragenden nur sich selbst im Blick haben – oder das Publikum.
Und woran merken wird das? An vielen kleinen Dingen. Ob die Vortragenden Blickkontakt mit uns suchen oder stattdessen ihre Folien anstarren. Ob sie mit einer offenen, zugewandten Haltung sprechen oder sich hinter dem Pult verschanzen. Ob sie uns direkt ansprechen – mit einem „Vielleicht kennen Sie das …“ oder einer Frage wie „Wer von Ihnen hat schon einmal …?“ – oder ob sie einfach nur in ihren Vortrag einsteigen, ohne sich um unser Vorwissen oder unsere Erwartungen zu kümmern.
All diese Signale nehmen wir unbewusst auf. Sie entscheiden darüber, ob wir uns angesprochen fühlen oder innerlich abschalten. Das Publikum wird aufmerksam, wenn ehrliches – also authentisches – Interesse gezeigt wird. Wer das Publikum sieht, wird auch selbst gesehen! Die Art und Weise, wie das gelingt, ist so unterschiedlich wie die Menschen vorne auf der Bühne. Sie ist ganz klar geprägt von der Persönlichkeit der Vortragenden.
Relevanz
Von Anfang an sollte in einem Vortrag klar werden, worum es eigentlich geht. Was die Kernbotschaft ist. Warum die präsentierten Forschungsergebnisse relevant sind – für die Zuhörer/innen aber auch in einem größeren wissenschaftlichen oder gesellschaftlichen Kontext. Das klingt einfach, doch in der Praxis wird es oft vernachlässigt oder so präsentiert, dass es nicht wirklich ankommt. In wirklich guten wissenschaftlichen Vorträgen zeigen Vortragende die Relevanz ihrer Forschung direkt und konkret.
Ein guter Anknüpfungspunkt ist ein Bezug zur Fachdisziplin mit einem „Dieses Problem betrifft nicht nur mein Forschungsgebiet, sondern auch Ihre Arbeit, wenn …“ Noch greifbarer wird es durch reale Konsequenzen wie „Unsere Forschung könnte dazu beitragen, dass …“ oder „Wenn wir dieses Problem nicht lösen, stehen wir vor …“ Besonders wirkungsvoll ist ein Widerspruch oder eine Überraschung wie „Es gibt eine weit verbreitete Annahme über X – doch unsere Daten zeigen etwas völlig anderes.“ Das weckt Neugier und hält die Aufmerksamkeit.
Wie diese Relevanz vermittelt wird, ist dabei nicht beliebig – sie spiegelt die Persönlichkeit der Vortragenden wider. Ob sachlich-analytisch, erzählerisch oder pointiert-provokativ – wirklich authentisch wird es, wenn die Art zum Charakter der Person passt. Und genau das erhöht auch die Sichtbarkeit: Wer die Relevanz des Themas klar, greifbar und authentisch vorträgt, bleibt im Gedächtnis und wird in der wissenschaftlichen Community wahrgenommen.
Storytelling
Wenn es darum geht die Aufmerksamkeit des Publikums von Anfang bis Ende zu halten, führt kein Weg am Storytelling vorbei. Der /die Vortragenden können noch so präsent sein, noch so eine klare Einleitung mit der Relevanz des Themas haben. Das alles verpufft, wenn Forscher/innen im Verlauf des Vortrags nur noch Fakten aneinander reihen und sich in den Details ihrer Folien verlieren. Storytelling statt Faktenlawinen ist dann gefragt – ein Kennzeichen wirklich ausgezeichneter wissenschaftlicher Vorträge.
Dabei geht es nicht darum, Forschung künstlich in eine spannende Geschichte zu pressen oder zu dramatisieren. Vielmehr bietet Storytelling eine Struktur, die es dem Publikum erleichtert, den roten Faden zu erkennen – und genau das ist das eigentliche Erfolgsrezept. Besonders wirkungsvoll ist es, wenn Vortragende nicht einfach nur Ergebnisse präsentieren, sondern ihre Forschung als Entwicklungsgeschichte erzählen: Wie hat alles begonnen? Welche Herausforderungen mussten gemeistert werden? Gab es überraschende Wendungen oder unerwartete Ergebnisse? Solche erzählerischen Elemente machen selbst komplexe Inhalte greifbar. Statt eine Abbildung nur zu erklären, kann man beispielsweise schildern, wie der entscheidende Moment der Erkenntnis kam: „Wir dachten zunächst, dass X passieren würde – doch dann zeigte sich in den Daten etwas völlig Unerwartetes …“ So entsteht eine Spannung, die das Publikum mitnimmt und neugierig auf die Auflösung macht.
Wie genau Storytelling eingesetzt wird, hängt dabei von der Persönlichkeit der Vortragenden ab. Manche nutzen lebendige Anekdoten, andere setzen auf klare, logisch aufgebaute Narrative. Entscheidend ist, dass es authentisch bleibt – denn nur so wird ein Vortrag nicht nur informativ, sondern auch wirklich fesselnd und erhöht die eigene Sichtbarkeit.
Kernbotschaft
Wenn ein Vortrag zu Ende ist, was bleibt dann am meisten hängen? Der Schluss! Es ist der Moment, in dem das Publikum entscheidet, ob die Vortragenden ihr Thema überzeugend und wirksam vermittelt haben – und ob sowohl das Thema als auch die Relevanz wirklich klar wurden. Da das Ende so entscheidend ist, wird die Kernbotschaft in wirklich guten Vorträgen noch einmal prägnant wiederholt. Eine klare Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse sorgt für einen gelungenen, krönenden Abschluss.
Die Kernbotschaft kann auf verschiedene Weise zusammengefasst werden. So könnte ein Vortragender die Ergebnisse sachlich und prägnant darstellen: „Lassen Sie mich kurz zusammenfasse, was unsere Studie gezeigt hat.“ Ein anderer könnte den praktischen Nutzen betonen: „Die Forschungsergebnisse eröffnen neue Möglichkeiten für die Umsetzung von X in der Praxis.“ Wieder ein anderer könnte die Vision formulieren: „Stellen Sie sich vor, welche Möglichkeiten wir in der Zukunft haben, wenn wir diese Erkenntnisse umsetzen.“ Wie man an diesen Beispielen sieht, lässt sich die Zusammenfassung auf verschiedene Arten gestalten – je nach Persönlichkeit des Vortragenden.
Letztlich wirkt die Kernbotschaft am stärksten, wenn sie authentisch vorgetragen wird – passend zum Stil und zur Persönlichkeit der Vortragenden. Und ein starker, einprägsamer Schluss sorgt nicht nur für Klarheit, sondern auch für Sichtbarkeit: Wer am Ende eine klare Botschaft hinterlässt, bleibt im Gedächtnis und erhöht die Chance, dass Forschungsergebnisse wahrgenommen, weitergedacht und zitiert werden.
So gelingt euch authentisches Vortragen in der Wissenschaft
Zeigt euch
Das klingt viel einfacher, als es in Wirklichkeit ist. Denn um sich selbst zeigen zu können, muss man sich und seinen Charakter gut kennen. Am besten startet ihr in einer ruhigen Minute mit einer kleinen Selbstanalyse. Fragt euch zum Beispiel: Wie fühle ich mich, wenn ich vor anderen spreche? Bin ich eher zurückhaltend oder genieße ich es, im Mittelpunkt zu stehen? Wo fühle ich mich unsicher, und was gibt mir Sicherheit? Oder: Welche Art zu präsentieren liegt mir? Erkläre ich lieber ruhig und strukturiert oder bringe ich gerne Dynamik und Begeisterung hinein?
Setzt euch immer wieder mit diesen Fragen auseinander, und ihr findet nach und nach euren eigenen Präsentationsstil. Denn: Es gibt keinen „richtigen“ Stil – nur den, der zu euch passt. Euer authentischer Präsentationsstil ist der, bei dem ihr euch am wohlsten fühlt und der euch Spaß bereitet.
Fangt klein an: in Gesprächen, Arbeitsgruppentreffen oder Meetings mit dem Professor oder Vorgesetzten. Schritt für Schritt wächst ihr in euren Stil hinein – bis zur großen Bühne. Probiert es aus! Auch wenn es zunächst etwas Mut und Überwindung kostet, habt ihr viel mehr zu gewinnen als zu verlieren.
Denkt an das Publikum
Wenn ihr einen Vortrag plant, solltet ihr euch früh die Frage stellen: Wer hört zu? Sind es Experten aus eurem Fachgebiet, angrenzenden Disziplinen oder sogar Laien? Welches Vorwissen könnt ihr voraussetzen? Was erwarten die Zuhörer/innen? Ein wenig Empathie hilft hier enorm – denn je besser ihr eure Inhalte auf das Publikum abstimmt, desto verständlicher und einprägsamer wird euer Vortrag.
Doch noch eine andere Frage ist entscheidend: Wen wollt ihr erreichen – und warum? Nicht immer kann oder sollte man alle im Publikum adressieren. Wen genau wollt ihr überzeugen? Und was bringt euch der Vortrag? Sichtbarkeit? Anerkennung? Einen Karrieresprung? Da ihr viel Zeit und Energie in die Vorbereitung steckt, solltet ihr auch eure eigenen Ziele reflektieren. Nur so könnt ihr das Beste für euch herausholen.
Sobald ihr Klarheit darüber habt, könnt ihr leichter einen Publikumsbezug herstellen. Ihr wisst, welche Kernbotschaft ihr vermitteln wollt, welche Erzählstruktur um Publikum passt und wie ihr eure Inhalte so präsentiert, dass sie ankommen. Eure innere Überzeugung sorgt vor allem für eines: eine authentische Präsentation: Probiert es beim nächsten Mal einfach aus!
Erklärt den Kontext
Lasst euer Publikum wissen, was an eurem Forschungsthema so faszinierend ist. Warum arbeitet ihr daran? Was begeistert euch? Welche Relevanz hat eure Forschung – sowohl aus eurer Sicht als auch aus der Perspektive der Zuhörer/innen, die ihr erreichen wollt? Was ist der größere Zusammenhang, der Kontext? Das erfordert Klarheit über die eigene Motivation sowie einen Überblick über euer Forschungsgebiet und darüber hinaus.
Indem ihr diese Fragen beantwortet, weckt ihr Neugier, erzeugt Spannung – und macht euren Vortrag authentisch. Denn echte Begeisterung wirkt ansteckend. Probiert es aus: Sprecht beim nächsten Vortrag bewusst über das, was aus eurer Sicht relevant ist. Ihr werdet merken, wie sehr es den Unterschied macht!
Teilt eure Erfahrungen
Ob ihr es glaubt oder nicht, aber ihr habt eine Menge zu erzählen! Ein mit größter Sorgfalt ausgearbeitetes Experiment ist gegen alle Erwartungen misslungen? Ihr wisst inzwischen warum und habt daraus gelernt? Berichtet davon! Ihr entwickelt eine neue Methode in eurem Labor? Die Idee dazu hattet ihr, weil ihr eine Reportage über ein völlig anderes Thema gesehen habt und dachtet, das könntet ihr abwandeln und auf eurer wissenschaftliches Problem anwenden? Was für eine inspirierende Geschichte, die auch andere Forscher dazu anregen kann, nachunkonventionellen Lösungen zu schauen.
Sobald ihr einmal darüber nachdenkt, werdet ihr feststellen: Ihr habt so viel zu erzählen, dass ihr nicht wisst, worauf ihr euch beschränken sollt! Probiert es einfach mal aus! Erst einmal nur konzeptionell, für euch alleine. Spielt die Ideen im Kopf durch, testet unterschiedliche Narrative, also Darstellungen und Erzählweisen einer Geschichte. Das braucht ein bisschen Zeit und Übung, macht aber jede Menge Spaß. Und bringt euch auf jeden Fall eines: Eine Erzählung, die euren Vortrag einzigartig und authentisch macht!
Bringt es auf den Punkt
Schenkt der Zusammenfassung mindestens genauso viel Aufmerksamkeit wie der Einleitung. Wenn nicht sogar noch mehr! Auch wenn die Versuchung groß ist, einfach alles kurz zu wiederholen, sich zu bedanken und einmal durchzuatmen. Endlich fertig, denkt ihr! Doch ihr dürft die einzigartige Gelegenheit nicht verschenken: Wiederholt noch einmal kurz den roten Faden. Welche Annahmen wolltet ihr beweisen? Welche besonderen Erkenntnisse führen zu eurer Kernbotschaft?
Fragt euch: Was ist die eine Aussage, die eurem Publikum in Erinnerung bleiben soll? Welche Botschaft soll mit euch und eurer Forschung in Verbindung gebracht werden? Sagt es auf eure Weise – klar, direkt und authentisch. Lasst eure Begeisterung sprechen. Denn wenn ihr selbst überzeugt seid, bleibt eure Botschaft im Gedächtnis. Probiert es aus!
Fazit: Authentisch vortragen in der Wissenschaft ist euer Weg in die Sichtbarkeit
Authentisch vortragen heißt, der Art und Weise eurer Präsentation mindestens genauso viel Aufmerksamkeit zu schenken, wie eurem Inhalt. Damit eure Kernbotschaft wirklich verstanden, in Erinnerung bleibt – und ihr damit sichtbar werdet. Ohne auf die Prinzipien der guten wissenschaftlichen Praxis zu verzichten. Und ohne wissenschaftliche Präzision aufzugeben.
Es ist an der Zeit umzudenken. Forschung passiert zwar in Laboren, hinter verschlossenen Türen. Doch sie wird von Menschen für Menschen gemacht – und sie verdient es, so vermittelt zu werden, dass sie nicht nur gehört, sondern auch verstanden und wirklich gesehen wird.
Wartet nicht länger: Werdet zu einem Vorbild authentischen Präsentierens! Beweist, dass wissenschaftliche Vorträge nicht nur eine langweilige Aneinanderreihung von Fakten sein müssen. Zeigt nicht nur, was ihr wisst, sondern auch, wer ihr seid und warum eure Forschung wichtig ist. Geht und haltet als Wissenschaftler/innen authentische Vorträge! Erweckt Wissenschaft zum Leben. Inspiriert andere. Werdet sichtbar. Und bleibt dabei ihr selbst!